Pers. Eindrücke

Der Jugend gehört die Zukunft!

Um unser Engagement in die Zukunft zu tragen und damit auch hierzulande die Nachhaltigkeit zu sichern, sind bei unseren Einsätzen immer auch junge KollegInnen dabei. Die Begeisterung ist großartig und sie tragen in besonderer Art und Weise jedes Mal zum Gelingen bei!

Hier ihre Berichte:

 

 

Erfahrungsbericht Myanmar
Und zwischen zwei Herzschlägen den immerwährenden Frieden spüren

von Nathalie Thierjung

Nach einer Myanmar Präsentation von Heinz Schöneich im Rahmen der Vorlesungsreihe „humanitäre Einsätze in Entwicklungsländern“ an der TU München wusste ich - da will ich hin und an einem Projekt teilnehmen. Im Rahmen der Vorbereitungen habe ich das Glück gehabt, verschiedene ehrenamtlich tätige Menschen kennenzulernen und daraus entstand ein abwechslungsreicher Aufenthalt von über 10 Wochen, welchen ich zur Hälfte in verschiedenen Projekten und zur Hälfte auf Reisen verbrachte. Zwei Wochen nach dem Staatsexamen im Oktober 2015 ging es los.

Eagle-ENT / HNO Einsatz in Thandwe und Sittwe, (30.10.2015 bis 13.11.2015) (http://www.eagle-ent.org/?q=de)

Das Projekt, welches 2010 von Dr. Biesinger aus Traunstein ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Myanmar zu fördern. Der Fokus liegt auf der Durchführung von Mittelohrchirurgie und der Ausbildung lokaler HNO-Ärzte. Dies sind wichtige Aufgaben, denn das Land ist unterversorgt, was die HNO, insbesondere die Mittelohrchirurgie, angeht. Der einzige HNO Arzt im Bundesstaat Rakhine, der Ort unseres Einsatzes, arbeitet in der Hauptstadt Sittwe. Er verfügt weder über die nötigen Instrumente noch über ausreichende Kenntnisse zur Durchführung solcher Operationen. Patienten mit Erkrankungen des Mittelohrs wie der Mittelohrentzündung oder dem Cholesteatom sind sich somit komplett selber überlassen. Dabei kann es bei Komplikationen bis zur Ertaubung, Hirnabszessen oder sogar zum Tod kommen. Insbesondere Kinder sind dabei häufig betroffen. Während des Aufenthalts konnten wir über 300 Patienten ambulant behandeln und fast 50 Operationen durchführen. Dazu brachten wir fast alle Instrumente und eigens für die Einsätze angefertigte portable Mikroskope aus Deutschland mit. Der Aufwand hinter solch einem Projekt ist unvorstellbar groß und all dies wäre ohne die unverzichtbare Hilfe engagierter burmesischer Partner nicht möglich, die sich nicht nur mit Ministerien und dem Zoll herumschlagen, sondern auch alles machen, um dem Team einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten.

Der erste Kontakt mit den Menschen in Myanmar hat mich sehr berührt. Oft hatten die Patienten eine lange Reise hinter sich, um zu uns zu gelangen. Dennoch hat sich niemand vorgedrängelt oder Ungeduld an den Tag gelegt.  Manchmal kam es dazu, dass aufgrund von Notfällen oder unvorhersehbar langen Eingriffen ein Patient nicht mehr am geplanten Tag operiert werden konnte. Aber in Myanmar beschwert sich keiner – und was heute nicht ist, wird eben morgen sein. Manche brachten uns sogar selbst gemachte Süßigkeiten und Bananen als Dankeschön mit. Ich vermute, dass diese Gelassenheit auf uns als Team abgefärbt hat. Trotz Jetlag und des anstrengenden Tagesablaufs, trotz intensiver klimatischer (und teilweise kulinarischer) Umstände, war unsere Gruppe sehr harmonisch. An Tatendrang mangelte es aber auch nicht und es gab meistens alle Hände voll zu tun. Zum Beispiel ging es nach über 24 Stunden Reisezeit vom Flughafen direkt ins Krankenhaus, um alles für den nächsten Tag vorzubereiten und die bereits wartenden Patienten zu untersuchen. Dabei funktionierte natürlich nichts wie in Deutschland. Dinge, welche im Vorjahr dagelassen wurden mussten erst einmal repariert und hergerichtet werden, der Operationssaal musste nach unseren Bedürfnissen umgestellt werden. Aber jeder packte mit an und schließlich war doch alles bereit. Auch die Freizeit haben wir gerne zusammen verbracht. Ich bin sehr dankbar für die zahlreichen Gespräche mit meinen Kollegen, die teilweise seit vielen Jahren in der Entwicklungshilfe tätig sind, und die ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben.

An praktischem Lernen hat es in den zwei Wochen natürlich nicht gemangelt. Ich konnte sowohl bei den Operateuren und Anästhesisten als auch bei der OP-Schwester viel mithelfen. Der Einblick in die allgemeine Organisation eines Entwicklungsprojektes hat mich auch sehr viel gelehrt. Ich finde das Konzept des Einsatzes äußerst sinnvoll, da es ein langfristig angelegtes Projekt ist, das eben auch lokale Ärzte mit einbezieht. Der HNO Arzt aus Sittwe soll noch dieses Jahr weiter in Deutschland und Österreich ausgebildet werden, um im kommenden Jahr mit ihm gemeinsam vor Ort zu operieren.

Amara Mobile Clinic – Irrawaddy Delta (30.11.2015 – 13.12.2015) (http://www.amara-foundation.com/index.php?site=projekte_gesundheit)

Die Amara Mobile Clinic ist ein Boot, welches seit dem verheerenden Taifun Nargis 2008 zur medizinischen Versorgung im Delta im Einsatz ist. Nach anfänglicher Katastrophenhilfe wurde das Boot mehr und mehr zu einer Einrichtung der medizinischen Grundversorgung für die schwer zugängliche und medizinisch unterversorgte Region. Im Monatsturnus wird täglich ein anderes Dorf angefahren. Dort wird dann ein Art kleines Sprechzimmer aufgebaut, meistens im Kloster des Dorfes. An Bord sind zwei Ärzte, zwei Krankenschwestern, ein Assistent und natürlich der Kapitän des Boots. Es war unglaublich interessant in diesen zwei Wochen die Arbeit und das Leben mit ihnen zu teilen; und obwohl es ein einfaches Leben war, war es persönlich sehr bereichernd. Ich kann es nicht besser beschrieben als in dem Motto von Amara, ein Zitat von Buddha welches lautet: „Es gibt nur eine Zeit in der es wesentlich ist aufzuwachen – diese Zeit ist jetzt.“

Verwunderlich war nur, dass die Krankheitsbilder nicht so exotisch waren wie ich angenommen hatte. Ich erwartete Schlangenbisse, Wurmerkrankungen und Malaria aber der größte Anteil aller Patienten litt an Bluthochdruck, Diabetes und Gastritis. Um eine bessere langfristige Kontrolle des Bluthochdrucks zu gewährleisten, waren in manchen Dörfern kleine Stationen angebracht, in denen die Patienten ihren Blutdruck selber messen und in ihr Gesundheitsbüchlein eintragen konnten. Während meiner Zeit kamen täglich zwischen 15 und 30 Patienten in der Sprechstunde. Diese eher niedrigen Zahlen waren wohl darauf zurückzuführen, dass Erntezeit war und die Menschen tagsüber auf dem Feld arbeiteten.

Ich bin der Meinung, dass die Region davon profitieren könnte, wenn die Mobile Clinic etwas mehr Wissensvermittlung und Aufklärung anbieten würde. Zum Beispiel wurden die Blutdruckmessstationen leider wenig genutzt. Dabei wäre die durch die niedrigen Patientenzahlen entstandene Zeit eine gute Gelegenheit gewesen, wenigstens die anwesenden Patienten nochmals über die Wichtigkeit und Funktionsweise zu informieren. Der Bluthochdruck ist zwar eine ernst zu nehmende Erkrankung mit gravierenden Komplikationen, allerdings mangelt es in der Region auch an ganz anderen gesundheitsrelevanten Aspekten. Dabei geht es beispielsweise um Müllabfuhr oder Wasseraufbereitungsmethoden. Das Bewusstsein ist einfach nicht da, dass es schädlich ist, seinen Abfall in die Flüsse zu schmeißen! Vielleicht wäre es in der Zukunft möglich, dass das Mobile Clinic Team etwas mehr für Gesundheitsaufklärung macht oder praktische Anleitungen zum Umgang mit sich und der Umwelt gibt.  

Health Care Centre, Irrawaddy Delta (13.12.-21.12.2015)
Ein gutes Beispiel für den nachhaltigen Einsatz in der Region ist das Health Care Centre, welches ich eine Woche besuchen konnte. Das kleine umweltfreundlich gebaute Krankenhaus bietet stationäre Versorgung für 16 Patienten und ambulante Versorgung für zahlreiche Tagespatienten an. Es finden Notfall-Operationen, Geburten und Kaiserschnitte statt. Der einzige Arzt dort ist Dr. Aung, zuständig für ein Einzugsgebiet von über 25000 Menschen, und das 365 Tage im Jahr. Mit Energie für drei übernimmt er nicht nur ärztliche Aufgaben, sondern hat es sich auch zum Ziel gemacht, in den umliegenden Dörfern das Gesundheitsbewusstsein der Menschen zu schulen. Dabei genießt er gleichzeitig einen großen Respekt. Er hat in dem Dorf neben dem Krankenhause ein „health committee“ gebildet, welches sich eigenständig um kleine Aufgabenbereiche, wie zum Beispiel die Müllabfuhr, kümmert. Jeder Haushalt zahlt einen sehr geringen Beitrag, von dem zunächst Mülleimer besorgt wurden. Anschließend wird davon wöchentlich jemand dafür bezahlt, diese zu leeren und im Verbrennungsofen des Krankenhauses zu verbrennen. Des weiteren führt er regelmäßig Gesundheitsaufklärungen durch, organisiert wöchentlich eine Sportstunde für die Älteren und einmal im Jahr findet ein großes Sport und Spiele Fest statt. Ich wünsche mir für Myanmar mehr Menschen, die so motiviert und engagiert sind.  

Stiftung Life - Workshop mit Stipendiaten in Sagaing, Meditation Centre (26.-28.12.2015) (http://www.stiftunglife.de/projekte/studenten-myanmar/)

Nach einer langen und holprigen Busfahrt gefolgt von einer noch holprigeren Fahrt auf einem Moped kam ich endlich im Meditationszentrum außerhalb von Sagaing an. Ich war aufgeregt und gespannt, die Gruppe junger Studenten verschiedener Fachrichtungen kennenzulernen, welche sich an dem Wochenende auch dort eingefunden hatten. Die meisten von ihnen kamen aus ländlichen Gegenden und hatten gerade erst zwei Wochen zuvor ihr Studium begonnen. Über einen meist individuellen Mentor der Stiftung Life erhalten sie Unterstützung für Studien- und Lebenserhaltungskosten. Das Projekt wird vor Ort von der Burmesin Khin organisiert. Sie ist unter anderem verantwortlich für die Auswahltagung für das Stipendium und kümmert sich darum, dass jeder die Menge an finanzieller Zuwendung bekommt, die er oder sie benötigt. Alles basiert auf einem engen Kontakt und einer persönlichen Betreuung. Auch das Wochenende in Sagaing diente dazu sich besser kennenzulernen. Khin erklärte den Studenten wie wichtig es ist, eine gute Ausbildung zu haben und Englisch zu lernen, aber auch, wie wichtig es ist, innere Ruhe, zum Beispiel durch Meditation, zu erlangen. Sie motivierte die Studenten, in dem sehr hierarchischem System, das an Schulen und Universitäten vorherrscht, in dem Lernen quasi aus Auswendiglernen besteht, selber zu denken und Dinge zu hinterfragen. Manche träumen davon, ins Ausland zu gehen, die meisten aber davon, in Myanmar zu bleiben um etwas Gutes für das eigene Land zu tun.

Nach einer Aufwärmphase mit viel schüchternem Gekicher haben die aufgeweckten jungen Studenten mich mit Fragen gelöchert. Teilweise bin ich dabei  sogar ins Schwitzen gekommen - was ich von dem Umgang der Deutschen mit der eigenen Geschichte denke, was ich von Patriotismus halte, was ich unter Demokratie verstehe. Aber auch Fragen zu Traditionen und Gebräuchen, ob bei uns auch meditiert wird, was an Weihnachten eigentlich gefeiert wird, wie der Umgang junger Menschen in meinem Land mit modernen Medien ist. Daraus entstand eine angeregte Diskussion über die Vor-und Nachteile von Smartphones, sozialen Netzwerken etc. Am Ende bin ich einen Tag länger geblieben als geplant. Das tägliche Meditieren und das einfache Leben haben mir sehr gut getan. Ich bin Khin und den Studenten sehr dankbar für die interessanten Gespräche.

Interplast München, Operationseinsatz in Bagan (31.12.2015-01.01.2016)
Während ich auf Reisen in Bagan war, befand sich auch das von Heinz Schöneich organisierte Interplast Team vor Ort. Ich hatte so das Glück, zwei Tage von ihrem zweiwöchigen Einsatz mitzuerleben. Hauptsächlich wurden Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Verbrennungskontraktionen operiert. Es war das erste mal, dass ich solche Operationen sehen konnte und ich war beeindruckt, wie schnell solch gewaltige Verbesserungen zu sehen sind. Nehmen wir als Beispiel die Spalten. Kinder mit ausgeprägten Formen dieser angeborenen Fehlbildung können nur schwer Nahrung zu sich nehmen oder gar atmen, die Sprachentwicklung ist beeinträchtigt und sie sind äußerst infektgefährdet. Wird eine Spalte nicht verschlossen, so ist es für den Betroffenen im Erwachsenenalter auch in anderen Bereichen einschneidend – mangelnde soziale Akzeptanz ist keine Seltenheit. Somit hilft man dem Patienten durch eine Operation auf sehr vielen Ebenen dabei, ein körperlich, psychisch und sozial gesundes Leben zu führen. Bei dem Einsatz war die Zusammenarbeit mit den burmesischen Kollegen sehr eng. Zwei Ärzte und zwei OP-Schwestern aus dem General Hospital in Yangon waren aktiv mit dabei und es fand ein reger Austausch und Lernen zwischen deutschen und burmesischen Ärzten statt.

Wie viel Hilfe steckt in Entwicklungshilfe?
Nach den vielfältigen Einblicken, die ich in Entwicklungsprojekte haben durfte, war diese Frage viel präsenter als zuvor. Tut man wirklich etwas Gutes? Oder dient es nur dazu, seinen eigenen Erfahrungsschatz zu bereichern? Es ist nämlich nicht so einfach, die genauen Bedürfnisse eines Landes zu kennen und Hilfe zu leisten, die auch gebraucht wird. In Myanmar reichen die staatlichen Ausgaben für Gesundheit bei weitem nicht aus, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten. Die Menschen sind quasi auf externe Hilfe angewiesen. Anderseits kann diese Hilfe aber auch langfristig genau Gegenteiliges bewirken, indem sie landeseigene Institutionen und Personen übergeht. Wenn die  medizinische Versorgung von ausländischen Organisationen übernommen wird, besteht zum Beispiel kein Bedarf mehr von Innen heraus etwas daran verbessern zu wollen. Darum ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, die entwicklungsunterstützende Arbeit unter Einbeziehung lokaler Strukturen laufen zu lassen. Man darf nicht vergessen, dass die Gewährleistung von medizinischer Hilfe von Anfang an zum Ziel haben sollte, dass das Land auch irgendwann ohne diese auskommt.

Die Tätigkeit hat aber auch auf persönlicher Ebene einen gewaltigen Effekt. Es ist erwiesen, dass es einen selber glücklich macht, anderen etwas Gutes zu tun. Dabei muss es sich natürlich nicht um ein großes Projekt handeln, sondern es kann auch eine kleine zwischenmenschliche Begegnung sein. Gut miteinander umgehen und hilfsbereit sein können dann sozusagen eine Kettenreaktion darstellen – wer gut behandelt wurde, wird auch andere besser behandeln. In meiner Zeit in Myanmar hat sich für mich bestätigt, dass man durchs Geben nicht nur anderen, sondern auch sich selber ein großes Geschenk macht. Es macht glücklich, es verbindet – eine Win-Win-Situation.

Eindrücke von Land und Leuten
Zwischen den verschiedenen Projekten hatte ich auch Zeit eingeplant, das Land zu bereisen. Allgemein war es eine sehr spannende Zeit, da zu sein. Nach jahrzehntelanger Isolation befindet sich das Land nun im Umbruch. Nach den ersten freien Wahlen im November 2015, aus denen die Partei von Aung San Suu Kyi als klarer Gewinner hervorging, steht sicherlich einiges an Wandel bevor. Die Stimmung ist überall erwartungsvoll gespannt, die Menschen hoffen auf ein stabiles, demokratisches System und reden sehr gerne und offen darüber.

Zunächst ging die Reise in Richtung Süden. Ich verbrachte jeweils einige Tage beim Golden Rock in Hpa-An, Mawlamyne und Dawei. Je weiter südlich man reist, desto weniger Touristen trifft man. Häufig war ich die einzige Ausländerin in Bussen oder bei Spaziergängen durch die Orte. Dies hat immer für interessante Begegnungen mit Einheimischen gesorgt, zum Beispiel auf dem Markt in Mawlamyne, wo mich eine Frau an der Hand nahm und über den Markt führte und mir die burmesischen Worte für verschiedene Dinge beibrachte. Es gibt zahlreiche ähnliche Erfahrungen wie diese, in denen einfach von fremden Leuten unglaublich auf mich Acht gegeben wurde. Natürlich besuchte ich auch Mandalay, Bagan und den Inle See, wobei durch die relativ hohen Touristenzahlen in Bagan und Inle oberflächlich eine andere Atmosphäre vorherrscht. Die Menschen versuchen viel mehr, einem etwas zu verkaufen, Kinder rufen einem „candy, candy“ hinterher. Wahrscheinlich ist es eine normale Entwicklung und der Preis, den man eben für eine bessere touristische Infrastruktur zahlen muss. Nichtsdestotrotz haben beide Orte aber einen unbeschreiblichen Zauber. Zu den schönsten Erfahrungen gehörten aber auch zwei Wanderungen, die ich jeweils über drei Tage unternommen habe, in der Gegend um Hsipaw, und von Kalaw zum Inle See. Auf diesen Trekking Touren schläft man in Dörfern in sogenannten homestays bei Familien zu Hause, die auch für einen wundervolles vegetarisches Essen kochen. Die Landschaften waren abwechslungsreich und zu Fuß bietet sich einem immer eine ganz neue Perspektive.

Ich habe mir auch auf Reisen oft die Frage gestellt, was der Einfluss von Außen mit dem Land macht. Ähnlich wie bei der Entwicklungshilfe gibt es zwei Seiten der Medaille. Einerseits ist der Tourismus natürlich eine wichtige Einnahmequelle, anderseits kann er aber auch vieles negativ beeinflussen. Deswegen geht es nicht nur beim Helfen, sondern auch beim Reisen darum, es wohlüberlegt zu gestalten. Als Beispiel fällt mir das wahllose Verschenken von Süßigkeiten oder Stiften ein, wie es oft gesehen wird. Bei einer Wanderung machte unser Guide die Gruppe darauf aufmerksam, dass dies dazu führen kann, dass in der Zukunft immer mehr Kinder Touristen nach solchen „Mitbringseln“ fragen und weniger am Kennenlernen als am Erhalt von Materiellem interessiert sind. Wir versuchten also, es gleich umzusetzen. So überreichten wir von uns mitgebrachte Stifte und Bälle dem Schulleiter einer kleinen Dorfgrundschule, der versprach, diese an Schüler zu verteilen, die es am meisten nötig haben. Anschließend  organisierten wir ein kleines Fußballmatch mit den Kindern, das allen viel Spaß gemacht hat. Diese Erfahrung hat nochmal verdeutlich wie wichtig es ist, seine Hilfe auf die richtige Art und Weise anzubringen.

In Myanmar begegnet man sehr vielen lachenden Menschen. Manchmal erst ein ein schüchternes Zucken der Mundwinkel hinter vorgehaltener Hand, dann ein breiteres Grinsen, das von der Betelnuss schwarz gefärbte Zähne freigibt, aber am häufigsten ist es ein ungehaltenes Giggeln und Kichern. Und oft ein Kinderlachen, das wie die Windspiele und Glöckchen bei den Pagoden nachhallt wenn mal wieder eine Schar Kinder hinter einem herläuft. Die Offenheit und Neugier klingt aus diesem Lachen, ich kann es beim Schreiben hören und muss selber die Mund- und Augenwinkel nach oben ziehen, so ansteckend ist allein schon der Gedanke daran. Was bringt die Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt bloß dazu, so viel zu lachen? Arm? Das Leben dort ist größtenteils zwar sehr einfach, aber während meines  Aufenthaltes hatte ich nie das Gefühl, mit Armut konfrontiert zu sein. Im Gegenteil! Wenn ich daran denke fällt mir ein: innerer Reichtum, Frieden, das Leben im Hier und Jetzt. Es ist unbeschreiblich, wie gut ich mich während meiner Zeit umsorgt gefühlt habe. Mir wurde mir mit so viel Wohlwollen begegnet und es gab unzählige Momente in denen ich mich einfach nur dankbar fühlen konnte. Ständig fand sich jemand der etwas über mich erfahren oder sein Englisch üben wollte. Ich wurde zu fremden Leuten mit nach Hause genommen, eingeladen, beschenkt. Die Burmesen haben verstanden, wie einfach es ist, sich durch eine gute Tat selber auch gut zu fühlen. Nach dem „World Giving Index“ ist Myanmar auf Platz eins der wohltätigsten Länder der Welt. Und das spürt man. Den Leuten macht es solch eine Freude zu geben. Ein besonderer Moment diesbezüglich war der Geburtstag von Win, einem Mitarbeiter der Amara Stiftung, der zu der gleichen Zeit wie ich auch im Delta Krankenhaus war. Win hat es sich selber zum Brauch gemacht, an seinem eigenen Geburtstag etwas zu geben anstelle von Geschenke zu erhalten. Drum ging es an dem Tag in die Schule, wo es für jeden Schüler einen Stift, ein Heft und eine Seife gab. Diese und zahlreiche weitere schöne Erlebnisse haben mich angesteckt und ich hoffe, dass ich ein Stück davon weitergeben kann.

Bei Fragen können Sie mich gerne kontaktieren
nthierjung@gmail.com


Myanmar, Januar 2019

von Marlene

3.30 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Noch verschlafen springe ich aus dem Bett in gemütliche Klamotten, ein Pulli, dann noch ein Hoodie drüber und noch eine Daunenjacke. Es ist eiskalt draußen, der Koffer und Rucksack liegt bereits im Auto und die Fahrt von der Schweiz zum Flughafen München geht los.
Nach mehreren anstrengenden Feiertagsdiensten steuere ich einige Rastplätze an: Kaffee, eine Kleinigkeit zum Essen.
Endlich komme ich um 9 Uhr morgens in München am Flughafen an. Es ist eiskalt, wieder geht’s erst zum Kaffe, ich schlafe auf einer Bank im Flughafengebäude fast ein.
Dann, das Handy piepst: das Team ist auch eingetroffen!
Zig Schachteln türmen sich auf zig Gepäckwägen und ich freue mich sehr, Eberhard, Lena, Anne, Andreas und Lenas Eltern zu sehen. Dann stoßen noch Martina und Veronika aus München dazu. Mit Geli im Home-Team sind wir jetzt komplett, es kann losgehen!

Wir sitzen im Flieger nach Stunden Verzögerung, das Flugzeug musste erst enteist werden.
Viele Flugstunden später und nach Umstieg in Bangkok Ankuft in Mandalay, Myanmar.

Die burmesischen Kollegen erwarten uns schon am Flughafen, unsere ca. 15 Gepäckstücke und Kisten werden in einem kleinen Transporter verstaut. Anne, Lena und ich fahren ebenfalls auf der Ladefläche mit. Blauer Himmel, Sonne, der Fahrtwind bringen frische Sommerluft. Später lerne ich, dass es hier in Myanmar gerade “Winter” ist.
Viele Autos, die uns überholen, schauen alle auf unser Fahrzeug, vor allem auf einen Reifen. Prompt wird bei einer Werkstatt gehalten, wir brauchen Luft. Nach einer Stunde erreichen wir Mandalay und zu allererst geht es ins Krankenhaus, das Material abliefern. Frau Professor Khin Khin begrüsst uns mit offenen Armen.
In den ersten drei Tage steht ein Felsenbeinkurs auf dem Programm, das Material für den Kurs ist auch bereits in Kisten eingetroffen. Es wird noch alles ausgepackt, die Mikoskope, Sauger, Bohrer angeschlossen, danach geht es zum Abendessen. Das Berliner Team um Heidi und Sophia stoßen jetzt auch dazu. Heidi wird in den nächsten Tagen Cochlear Implantate (Innenohrprothesen) implantieren. Für das Jahr 2018 wurden von Regierungsseite nur 3 CIs bewilligt, für 2019 leider gar keine. Die drei von 2018 werden von Heidi dann implantiert.

Montag früh geht es dann gleich mit unserem Felsenbeinkurs los, während Heidi also operiert. Die burmesischen Teilnehmer sind sehr motiviert und wir etwas angespannt, ob auch alles klappt wie geplant. Im Verlauf der drei Kurstage lernen beide Seiten sehr viel: die burmesischen Teilnehmer tasten sich langsam, aber sich an die Felsenbeine heran, am Mittwoch sind erstaunliche Ergebnisse sichtbar und wir lernen, uns flexibel anzupassen. Es sind nicht nur zwei verschiedene Nationalitäten und Sprachen, Deutsch und Myanmar, sondern auch unterschiedliche Arten der Herangehensweise und des Lernens und Lehrens. Wir versuchen eine Symbiose!

Nach drei Tagen Kurs geht es dann per Landweg nach Kalay. Wir starten um 6 Uhr morgens aus Mandalay und fahren über Land, über Pässe, weite Landschaften.
Nach einem spektakulären Sonnenuntergang kommen wir müde, aber glücklich in Kalay an. Kalay liegt nördlich von Mandalay, nahe der Grenze Indiens und ist touristisch kaum bekannt. Allerdings liegt die Stadt an einer wichtigen Transitroute zwischen China und Indien.
Im Spital erleben wir einen herzlichen Empfang und die Patienten für den ersten OP Tag werden anschließend vorgestellt. Mehr als 800 Patienten haben sich bereits registriert- mit Schildern und Flyern wurde in der ganzen Umgebung auf die Ankunft von HNO Ärzten aus Deutschland aufmerksam gemacht. Im Laufe unseres Aufenthaltes in Kalay steigt die Zahl auf über 2,000 Patienten.
Nur durch die sehr gute Organisation vom dortigen Pflege-und Ärztepersonal ist es möglich, diesen Ansturm an Patienten zu bewältigen. Täglich screenen Hausärzte und zwei, extra aus Mandalay angereiste HNO Ärztinnen die Patienten, damit dann schließlich die Personen für die Operationen ausgewählt werden können, welche am meisten davon profitieren würden.

An den OP Tagen operieren jeweils Anne und Eberhard gleichzeitig in einem OP Saal, Martina und Veronika kümmern sich um die Anästhesie. Anfangs instrumentieren wir abwechselnd, dann plötzlich stehen die Tabletts mit den Instrumenten schon perfekt vorbereitet für die nächste OP parat! Die dortigen OP Schwestern haben sich innerhalb kürzester Zeit den Operationsablauf und die Namen der Instrumente eingeprägt und helfen nun mit. Während den OPs sind die drei burmesischen HNO Ärztinnen ebenfalls anwesend und übernehmen auch OP Teilschritte, sie werden Schritt für Schritt angeleitet.

Am Sonntag haben alle frei, das ist Gelegenheit für uns, neben dem Krankenhaus auch etwas vom Land zu sehen und wir machen einen kleinen Ausflug. Erst geht es in die Berge, danach fahren wir zu einem Elefanten Camp. Der Weg dorthin gestaltet sich sehr holprig, die Belohnung aber war am Ende des Tales eine schöne Landschaft mit einem Flussbett. Eine Hängebrücke führt über den Fluss, uns kommen lachende Kinder entgegen. Plötzlich sind wir in einem ganzen Gewirr von fröhlichen Kindern! Der Ausflug hat sich schon gelohnt!

Nach der kurzen Verschnaufpause setzen wir unser OP Programm fort bis zu unserer Abreise von Kalay. Über Mandalay und Bangkok geht unser Weg dann zurück in die Heimat.

Es bleiben Erinnerungen an ein buntes Land, schöne Tempelanlagen, aber vor allem Erinnerungen an die großartige Gastfreundschaft, die fröhlichen Menschen und eine harmonische Zusammenarbeit.

Was bleibt zurück?
Viele operierte Ohren, unglaubliche Dankbarkeit der Patienten und Verwandten. Und auch Traurigkeit, z.B. über ein zwei-jähriges Mädchen, das von Geburt an auf beiden Ohren taub ist. Ohne Innenohrprothesen ist ihr der Spracherwerb komplett verwehrt und sie wird ihr Leben lang mit einer Hör-und Sprachbehinderung leben müssen.

Was unbedingt gesagt werden muss:
- Danke an die netten Kollegen aus Myanmar, die viel Zeit und Arbeit in die Organisation investiert haben
- Danke an unser unglaubliches Team: jeder hat seinen Urlaub in das Projekt investiert. Zwei Wochen zusammen arbeiten und leben hat uns zu einem starken Team wachsen lassen
- Danke an unseren “Chef” Eberhard für seine Zeit, Organisation, aber vor allem für seinen Idealismus und die Vorbildfunktion. Ohne ihn wäre das Projekt nicht möglich.

- Danke allen Sponsoren aus der Heimat, ohne die das Projekt nicht möglich wäre.